Olli Banjo ist ein begnadeter Rapper. Das muss man niemandem mehr erzählen, der in den vergangenen 15 Jahren nicht durchweg im Komplettkoma lag. Aber Olli Banjo ist mehr. Er ist ein formvollendeter Texter. Sänger. Produzent. Songschreiber. Gitarrist. Kurzum: Ein Tausendsassa, der im Laufe seiner aufsehenerregenden Musikerkarriere vom einstigen »Schizogenie« zum »Wunderkynd« gereift ist. Und diesem Umstand wird der Kölner Ausnahmekünstler nun mit seinem langerwarteten Rock-Projekt einmal mehr gerecht, und zwar unter eben jenem Alter Ego: Wunderkynd – und dessen erster EP »Damenrad«.
Dabei ist immer erst mal Vorsicht geboten, wenn Rapper zur Gitarre greifen. Zu oft schon hat sich eine solche vermeintliche Weiter- als Fehlentwicklung herausgestellt, zu häufig hat das Sprengen der Genregrenzen zu irreparablen Kollateralschäden im künstlerischen Gesamtwerk geführt. Nicht so bei Oliver Otubanjo, schliesslich ist der mit Gitarrenmusik aufgewachsen. Punk, Rock und Metal waren ein wichtiger Bestandteil seiner musikalischen Sozialisation. Bands wie Queens Of The Stone Age, Korn und The Mars Volta gehören genauso zu seinen musikalischen Einflüssen wie Public Enemy, Boys Noize und The Streets. Punchende Gitarrenriffs waren daher immer schon künstlerischer Bestandteil seines Oeuvres, ob im gerappten Moshpit-Klassiker »Wie ein Schuss« (2005) oder der akustischen Live-Abrissbirne »Ich hasse dich« (2007).
Als Wunderkynd geht Olli nun allerdings noch einen logischen Schritt weiter. Bereits vor zehn Jahren kam erstmals die Idee auf, seine gelebte Leidenschaft für Punk, Rock und Metal auch in eigenen musikalischen Output fußen zu lassen. »Damals stand ich vor einem Musikgeschäft und habe spontan beschlossen, mir wieder eine Gitarre zu kaufen. Ich habe als Kind ja E-Gitarre gelernt«, verrät Olli. Warum es trotzdem eine ganze Dekade gedauert hat, bis dieser Gitarrenkauf erste veröffentlichungswürdige Früchte getragen hat, ist schnell erklärt.
Zum einen hatte Olli bereits eine ausserordentlich vielversprechende Künstlerkarriere am Laufen, im Zuge derer er sich immerhin zu einem der besten Rapper des Landes aufgeschwungen hat – und das macht man nicht mal nebenbei. Zum anderen brauchte es nun mal seine Zeit, um einen Sound zu finden, der zwar einerseits die musikalischen Referenzpunkte spiegelt, andererseits aber auch eigenständig klingt. »Ich habe vor ›Damenrad‹ bereits drei komplette Alben fertig gehabt, mit denen ich aber nie ganz zufrieden war – also sind die in der Tonne gelandet. Trotzdem waren die wichtig für mich, weil ich meinen Sound suchen musste. Und den habe ich nun gefunden.«
Zusammen mit The Krauts (Peter Fox, Marteria), mit denen Olli schon erfolgreich an seinem letzten Rap-Album »Dynamit« gearbeitet hat, sowie mit Moses Schneider (Beatsteaks, Tocotronic), der Instanz, wenn es um die druckvolle Realisierung von Rockvisionen geht und dem Kölner Produzenten Tim Lindenschmidt, hat Olli sich daher aufgemacht, ein neues musikalisches Kapitel aufzuschlagen – das mit der vorliegenden »Damenrad«-EP nun direkt in die Magengrube trifft.
Man nehme nur mal das Titelstück – ein Elektropunk-Live-Brett vor dem Herren, mit dem Olli sein anarcho-dadaistisches Gedankengut zur Grenzüberschreitung in unser aller Gehörgänge spuckt, eingebettet in flirrende Synth-Flächen, Sirenengeheul und widerspenstige Gitarren-Chords. »Zungenkuss« hingegen ist eine aufs Maximum reduzierte Fun-Punk-Ode an die Leichtigkeit; eine „Sonic-Youth´eske“ spuckefädenziehende Stadionhymne für die Bewusstmachung eines jeden Moments – inklusive Lust und Leidenschaft und Heavy Petting. Das gesellschaftskritische »Camp für dicke Kinder« erinnert indes an die frühen Spillsbury oder das »Hieb & Stichfest«-Album von Mia. Das Stück ist eine gehetzte und wortgewaltige 2.0-Version der Auswüchse der NDW, bei dem erneut Ollis dreckigen Punkwurzeln zum Vorschein kommen. Das letzte Stück der EP, das programmatische »Wir lassen uns das Tanzen nicht verbieten«, ist wiederum eine dystopische Blues-Rock-Nummer, die auf dem einenden Nährboden von sleazy Gitarren und einem textlichen Abgesang auf das Abendland zu einem mehrköpfigen Ohrwurmmonster heranwächst, dass sein pulsierendes Kämpferherz aber immerhin am rechten Fleck hat.
Doch diese EP ist erst der Anfang. Mit diesen vier Songs ist Olli lediglich auf Stippvisite im anvisierten Rock-Olymp – dank seines Jedi-Ritter-D-D-D-D-»Damenrads« aber immerhin mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von stolzen 800 km/h. Mehr Zeit, um dort langfristig zu verweilen, hat er ab Herbst. Dann folgt nämlich endlich das langerwartete Album von Wunderkynd, auf dem Oliver Otubanjo seiner Künstlerpersona noch ein paar spannende Facetten mehr hinzufügt.
Ja, ganz besonders LIVE wird diese Platte Spass machen ! Und bis dahin halten wir es mit AC/DC. Die haben der Ankunft des Wunderkynds auf Erden nämlich bereits vor mehr als dreissig Jahren ein musikalisches Denkmal gesetzt und es mit den wuchtigen Worten willkommen geheissen: »For Those About To Rock, We Salute You«. Schön, dass du da bist, Wunderkynd!
|